Zur heutigen Pressekonferenz von Bundesumweltministerin Steffi Lemke zum Umgang mit dem Wolf in Deutschland sagt Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH):
„Tiere müssen aus den Ställen raus auf die Weiden kommen. Gleichzeitig braucht es Beweidung für den Natur- und Klimaschutz, etwa um Moore und Auen zu renaturieren und das Insektensterben zu bremsen. Darum ist es wichtig, dass wir eine Koexistenz zwischen Weidehaltung und Wolf hinbekommen. Ein Ausspielen des einen gegen das andere darf es nicht geben. Der Wolf ist streng geschützt und auch der positive Trend der Bestandsentwicklung ändert nichts daran, dass die Tiere diesen Schutzstatus zu Recht genießen. Sie erfüllen wichtige Funktionen im Ökosystem und verändern den Wald und ganze Landschaften zum Positiven. Wir begrüßen daher, dass die Ministerin der unsachlichen Debatte um Abschwächungen des Naturschutzgesetzes bis zur Totalausrottung in so genannten wolfsfreien Gebieten heute eine praktikable, wissenschaftlich fundierte und zügig umsetzbare Lösung entgegengesetzt hat. Diese trägt dem Schutz der Wölfe und der Weidetiere Rechnung und lässt sich im Rahmen der bestehenden Gesetze und Schutzvorgaben umsetzen.“
Pressemitteilung Deutsche Umwelthilfe
Abschuss von Wölfen: BUND für Koexistenz von Wolf und Weidetierhaltung und gegen Jagd auf Wölfe
Anlässlich der Pressekonferenz des Bundesumweltministeriums zum Umgang mit dem Wolf, erklärt Thomas Norgall vom Bundesarbeitskreis Naturschutz des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND):
„Die vorgeschlagenen Vereinfachungen zum Einzelabschuss von Wölfen sind akzeptabel und sollten in der Praxis schnell auf ihre Wirksamkeit zur Vermeidung von Nutztierrissen geprüft werden. Die generelle Jagd auf den Wolf ist hingegen ein Irrweg. Nur indem Bundesumweltministerin Lemke und Bundesminister Özdemir den Herdenschutz verbessern, werden Nutztierrisse verringert. Einzelabschüsse können punktuell zur Entlastung führen, das Problem aber nicht grundsätzlich lösen.
Bis zu 75 Prozent der Nutztierrissse finden seit Jahren an ungeschützten Weidetieren, vor allem an Schafen, statt. Dieser Anteil ist viel zu hoch. Abschüsse alleine werden das Problem nicht lösen. Auch die Weidetierhalter*innen sind beim Herdenschutz in der Verantwortung, denn an ungeschützten Weidetieren werden Wölfe erst auf Nutztierrisse konditioniert. Abschuss sollte nur zulässig sein, wenn Herdenschutz angewendet wird.“
Hintergrund: Die Koexistenz von Wölfen und Weidetierhaltung ist durch Herdenschutzmaßnahmen erreichbar. Nur Wölfe, die trotz solcher Maßnahmen Nutztiere reißen, können aus der Natur entnommen, d.h. abgeschossen werden.
Die Hoffnung auf einen „Herdenschutz mit der Waffe“ kann nur scheitern, da sie die Biologie des Wolfs ignoriert. Pauschale Abschussquoten oder Populationsobergrenzen lösen keine Probleme und verringern keine Konflikte, sondern sie verstetigen oder verstärken Probleme. Es gibt weltweit keinen Nachweis, dass die Zahl von Nutztierrissen durch die Bejagung auf der Basis festgesetzten Abschussquoten die Zahl der Nutztierrisse reduziert.
Wölfe, die an Schafen und Ziegen ohne Herdenschutz die Erfahrung machen, wie leicht diese Weidetiere im Vergleich zu einem Wildtier wie dem Reh gerissen werden können, werden diese Erfahrung nie vergessen. Jeder erfolgreiche Übergriff eines Wolfs auf ein Weidetier führt dazu, dass dieser Wolf immer mehr Energie aufwendet, diese Erfahrung zu wiederholen.
Das im Auftrag der FDP-Bundestagsfraktion erstellte Rechtsgutachten von Prof. Brenner widerspricht der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Die von ihm propagiert Bestandsregulierung des Wolfs ist keine Lösung zur aktuellen Problematik steigenden Übergriffe auf Nutztiere, denn sie soll erst bei einem deutlich höheren Wolfsbestand einsetzen.
In Deutschland ist der weiter unzureichende Herdenschutz einer der entscheidenden Gründe für die ansteigende Zahl der Übergriffe auf Nutztiere. 50 bis zu 75 Prozent der Übergriffe erfolgen weiterhin an Nutztieren, für die kein Herdenschutz eingerichtet wurde. Herdenschutz ist aber die Voraussetzung für Einzelabschüsse von Wölfen, die Nutztiere reißen. Rund 90 Prozent der Gerissenen Nutztiere sind Schafe und Ziegen.
Mehr Informationen:
BUND Forderung: Nötig sind Verbesserungen und bundesweite Vereinheitlichungen im Herdenschutz in Form eines Bundesstandards Herdenschutz. Hierin müssen Mindestanforderungen an den Herdenschutz ebenso festgelegt werden, wie die Voraussetzungen für Kompensation von Schäden und die Genehmigung von Einzelabschüssen von Wölfen.
Herdenschutzmaßnahmen müssen regelmäßig evaluiert und nach den Erfahrungen verbessert werden. Die Kosten des Herdenschutzes muss die Gesellschaft als Ganzes tragen. Weidetierhalter*innen haben Anspruch auf Erstattung aller mit dem Herdenschutz verbundener Kosten.
Die Strategie zur Koexistenz von Wolf und Weidetierhaltung muss aus fachlichen Gesichtspunkten umgesetzt werden. Die finanzielle Unterstützung der EU zum Herdenschutz sollte in Anspruch genommen werden. Die Begrenzung der Mittelverwendung durch die Obergrenze der „De-minimis-Beihilfe-Regel“ für Agrarsubventionen muss entfallen.
Pressemitteilung BUND
Wölfe: Herdenschutz bleibt das oberste Gebot
Krüger: Keine pauschalen Abschüsse, sondern mehr Rechtssicherheit für die Länder im berechtigen Einzelfall
Bundesumweltministerin Lemke stellte heute ihre Ideen für ein praktikableres Wolfsmanagement vor. Demnach ist keine Gesetzesänderung notwendig, um in berechtigten Einzelfällen handeln zu können. Es soll keine pauschalen Abschussquoten auf Wölfe geben, die nicht mit europäischem Recht vereinbar sind. Kriterium für eine Entnahme ist demnach immer die Überwindung zumutbaren Herdenschutzes. NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger unterstützt diese Pläne:
„Die allermeisten Wölfe respektieren Herdenschutzmaßnahmen. Für die wenigen Fälle, in denen trotz Herdenschutz Weidetiere gerissen werden, hat Ministerin Lemke heute sinnvolle Vorschläge für ein effizienteres Handeln gemacht. Nun kommt es auf die Umsetzung in den Ländern an. Klar ist: ‚Vereinfachte Abschüsse‘ nach den neuen Vorschlägen sind keine pauschale Bejagung. Es geht um berechtigte Einzelfälle, in denen kein milderes Mittel vorhanden ist. Es ist eine Sache der Fairness, dass Weidetierhalter, die guten Herdenschutz einsetzen und trotzdem Risse zu beklagen haben, nicht zu noch mehr Schutzmaßnahmen verdonnert werden. In diesen Fällen greift die Ausnahmeregelung – und nur dann.“
Neben der rechtlichen Sicherheit muss aber auch an den praktischen Herausforderungen gearbeitet werden, sowohl im Herdenschutz als auch im Entnahmefall. Der NABU hält es für sinnvoll, professionelle Ranger-Teams zu bilden, die bei Entnahmen effizient eingesetzt werden können. Beispiel könnte die Schweizer Wildhut sein. Der NABU versteht, dass es zu Unverständnis führt, wenn im berechtigten Entnahmefall monatelang nicht der richtige Wolf / kein Wolf geschossen wird, weil man ihn nicht bekommt. Losgelöst von Entnahmefragen ist immer guter Herdenschutz die Basis. Sobald es Wolfspräsenz in einer Region gibt, sind ungeschützte Weidetiere gefährdet. Von daher ist nicht unbedingt die Anzahl der Wölfe entscheidend für das Rissgeschehen, sondern das Vorhandensein und Zustand des Herdenschutzes. Hier ist in vielen Bundesländern noch Luft nach oben in der Unterstützung und Förderung der Weidetierhaltenden.
Pressemitteilung NABU