Eckpunktepapier des Bundeslandwirtschaftsministeriums für weniger Antibiotika in der Massentierhaltung reicht nicht aus
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH), Germanwatch und die Ärzteinitiative „Ärzte gegen Massentierhaltung“ kritisieren das neue Eckpunktepapier des Bundeslandwirtschaftsministeriums für weniger Antibiotika in der Massentierhaltung als alte Fehler in neuem Gewand. In einer gemeinsamen Stellungnahme fordern die Organisationen ein neues Konzept von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir, um den Antibiotikaeinsatz in der industriellen Tierhaltung wirksam zu minimieren.
Dafür braucht es konkrete Reduktionsziele für den Einsatz von Antibiotika und ein Verbot der besonders wichtigen Reserveantibiotika.
Dazu Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Im Koalitionsvertrag wurde versprochen, Antibiotika in der industriellen Tierhaltung deutlich zu reduzieren. Das neue Eckpunktepapier von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir hingegen enthält keine Reduktionspflichten. Darin finden sich vielmehr bekannte Maßnahmen der alten Bundesregierung. Ein ‚Weiter so‘ darf es bei der Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen nicht geben. Der Antibiotikaeinsatz muss bei allen industriell gehaltenen Tieren endlich reduziert und digital dokumentiert werden. Wir fordern Cem Özdemir auf, ein neues wirksames Konzept für weniger Antibiotika vorzulegen.“
Imke Lührs von der Ärzteinitiative „Ärzte gegen Massentierhaltung“ sagt: „In Europa sterben jährlich über 30.000 Menschen an Infektionen mit antibiotikaresistenten Erregern. Quelle für die Übertragung multiresistenter Erreger auf Menschen sind zu fast 20 Prozent Lebensmittel, insbesondere Fleisch. Und trotzdem steigt der Antibiotikaverbrauch in der industriellen Tierhaltung hierzulande aktuell an und sorgt dafür, dass sich resistente Keime verbreiten können. Im neuen Eckpunktepapier des Landwirtschaftsministeriums findet sich nun weder ein Verbot der besonders wichtigen Reserveantibiotika, noch eine Pflicht zum Erregertest, um Fehlanwendungen von Antibiotika zu vermeiden. Reserveantibiotika müssen kranken Menschen vorbehalten sein und dürfen höchstens für Einzeltierbehandlungen genutzt werden.“
Reinhild Benning, Agrar-Expertin der DUH, warnt: „Solange Tierärzte und -halter nur angeben müssen, wie oft sie Antibiotika verabreichen, aber nicht in welcher Dosis, wird sich der Antibiotikaeinsatz nicht weiter reduzieren. Die vorgeschlagenen Maßnahmen basieren auf einer lückenhaften Dokumentationspflicht, die bereits 2020 versagt hat. In Deutschland werden je Kilogramm Tiergewicht doppelt so viele Antibiotika verbraucht wie in Dänemark. Alle Antibiotikaeinsätze müssen in Dosis erfasst und ein zu hoher Einsatz geahndet werden. Wer mehr als 50 Milligramm Antibiotika je Kilogramm Tiergewicht verbraucht, sollte seine Tiere gesünder halten oder seine Tierzahl erheblich reduzieren müssen.“
„Zahnloser Tiger“: Deutsche Umwelthilfe kritisiert fehlende Sanktionen gegen Verstöße bei neuer EU-Tierarzneimittel-Verordnung
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) übt harsche Kritik an der heute (28.1.) in Kraft tretenden EU-Tierarzneimittel-Verordnung. Die Regulierung zielt darauf ab, die vorbeugende Gruppenbehandlung von Tieren mit Antibiotika im Futter und Trinkwasser stark zu reduzieren. Die neue Verordnung sieht bei Verstößen allerdings keine Sanktionen vor und wird deshalb kaum positive Auswirkungen entfalten.
Auch der routinemäßige Einsatz von Reserveantibiotika wird nicht gestoppt. Die DUH fordert die EU-Kommission deswegen dazu auf, in den anstehenden Detail-Rechtsakten massiv nachzubessern.
Dazu Reinhild Benning, Agrar-Expertin der DUH: „Mit ihrer neuen Tierarzneimittel-Verordnung stellt die EU-Kommission die Interessen der Fleischindustrie und Futtermittelkonzerne über die Rettung kranker Menschen. Ohne handfeste Sanktionen gegen den alltäglichen Gebrauch von Antibiotika in der Massentierhaltung bleibt sie nur ein zahnloser Tiger, der nichts gegen die zunehmende Gefahr durch resistente Krankheitserreger ausrichten wird. Weltweit sind antibiotikaresistente Keime jährlich für 1,27 Millionen Todesfälle verantwortlich. 18,9 Prozent der Antibiotikaresistenzen bei Menschen stammen dabei laut Studien von Lebensmitteln, allen voran von Fleisch. In einem von uns beauftragten Stichproben-Test haben wir bei jeder dritten Putenfleischprobe von Lidl und jeder vierten von Aldi resistente Erreger gefunden. Auch das zeigt, wie dringend Handlungsbedarf besteht. Die EU-Kommission muss sofort die notwendigen Schritte ergreifen, um die Praxis von routinemäßigem Antibiotikaeinsatz zu sanktionieren.“
Gerade der Einsatz von Reserveantibiotika in der Massentierhaltung wird von Ärzten und Umweltschützern seit langem heftig kritisiert. Reserveantibiotika im Trinkwasser und Futter zur Verabreichung an ganze Herden von Tieren sind in der EU noch immer nicht verboten. Dabei sollen diese Medikamente eigentlich für Menschen reserviert werden, bei denen alle anderen Antibiotika aufgrund resistenter Krankheitserreger bereits versagen.
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