Offener Brief an den Ersten Bürgermeister, Herrn Dr. med. Peter Tschentscher vom Verein BIG-Fluglärm Hamburg e.V. / Dachverband der Bürgerinitiativen gegen Fluglärm e.V.
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
mit großem Erstaunen lesen wir am Montag, 28.1.2019 im Hamburger Abendblatt groß aufgemacht „Tschentscher wirbt für Direktflug nach New York“ in Dubai bei der Fluggesellschaft Emirates und will sich bei dem Bundesverkehrsminister hierfür einsetzen. Sehr geehrter Herr Dr. Tschentscher, tun Sie das bitte nicht! Sie als ausgebildeter Mediziner wissen um die gesundheitlichen Folgen von erheblicher Fluglärm-Exposition. Sie wissen als ehemaliger Bezirks-Abgeordneter von Hamburg-Nord, dass in den Hamburger Wohngebieten, in die der Flughafen sich eingezwängt hat, selbst nachts noch Lärmwerte über 90 dB, teilweise bis 100 dB erzeugt werden. Sie kennen das Hamburger Fluglärm-Problem, auf das wir Sie gerade kürzlich wieder in unserem Neujahrsbrief aufmerksam gemacht haben und unter dem viele Hamburger, ob Groß oder Klein sehr zu leiden haben.
Schon vor Jahren belief sich die Zahl der Betroffenen in den westlichen und nordöstlichen Stadtteilen um den Flughafen und in den Flugschneisen auf ca. 300.000. Heute werden es deutlich mehr sein. Auch wissen Sie, dass die großen Flugzeuge lauter als die kleineren sind, und dennoch werben Sie nun für eine neue Langstrecke – HH-NY – die nur mit Großgerät wirtschaftlich zu bedienen ist. Schauen Sie sich die Lärmwerte auf der Internetseite Travis für Niendorf und Langenhorn einmal an. Das Lärm-Delta beträgt dort um die 50 Dezibel! Es gibt keine Nachweispflicht der Verursacher dieses unerträglichen und gesundheitsschädlichen Lärms. Und Verursacher ist auch die Stadt Hamburg als Mehrheitseigentümerin des Flughafens, wo man auf die WHO-Richtlinie schlicht und einfach ignoriert und sich dann dennoch Umwelthauptstadt nennt.
Mit jeglicher Anwerbung von neuen Destinationen und neuen Fluglinien – gerade für Langstrecken – ist mehr Fluglärm, besonders durch Großgerät, impliziert. Wir empfinden daher Ihre politische Aktion als völlig inakzeptabel für die vielen Flughafenanwohner und extrem unsensibel. So entsteht der Eindruck, Sie hätten sich damit auf die Seite des Großkapitals, der Lärmverursacher und Klimaschädiger begeben.
Wo ist da Empathie und Humanität, Umweltschutz, Umweltgerechtigkeit zu finden? Und wo ist hier der Gedanke der sozialen Gerechtigkeit geblieben? Und wie ist hier erkennbar, dass Sie Ihre Arbeitskraft für alle Hamburger Bürger – also auch die Fluglärmbetroffenen – einsetzen? Bei dieser Gelegenheit dürfen wir nochmals fragen, wie ein Großflugzeug wie der A388 auf einem Flugplatz mit einer nicht ausreichenden Pistenbreite – 75 Meter Breite werden benötigt bei Code-FFlugzeugen – zugelassen werden kann. Hier und jetzt ragen die Flügel mit Triebwerken über die Piste hinaus, weshalb das Gras beim Start wegfliegt. Dann genehmigt Ihre Behörde trickreich eine Verkürzung der Startstrecke um 300 m, was bedeutet, dass ein startendes Großflugzeug 300 m später abheben und somit tiefer über die Niendorfer Wohngebiete fliegen muss, was für die dortigen Anwohner dann wiederum lauter ist. Dieses wird einfach so gemacht ohne Beratung durch die FLSK und schon gar nicht ohne Aufklärung der betroffenen Anwohner. Dieses erinnert uns sehr an die heimliche Streichung der 200-TonnenRegel im Luftfahrthandbuch durch Ihre Behörde: Es wird wissentlich zum Schaden der Menschen gehandelt! Dabei wird vergessen, dass derart trickreiches Handeln bei den betroffenen Anwohnern nichts als Frust und Verbitterung verursacht, keine gute Grundstimmung im politischen und gesellschaftlichen Miteinander verbreitet und für Mißtrauen gegenüber dem Senat, dem Flughafen und dem Luftverkehrssektor insgesamt sorgt. Wir hoffen, Sie beginnen rasch und aktiv, als Erster Bürgermeister dieser fatalen Entwicklung entgegen zu steuern und mit Blick auf die Betroffenen das Vorsorgeprinzip beachtend dafür zu sorgen, dass die Hamburger Interessen auf der Basis von Humanität und Rücksichtnahme verfolgt werden.
Freundliche Grüße
Margarete Hartl-Sorkin
1. Vorsitzende
BIG-Fluglärm Hamburg e.V.
Dachverband der Bürgerinitiativen gegen Fluglärm e.V.
www.big-fluglaerm-hamburg.de
Pressemitteilung BIG-Fluglärm Hamburg e.V.