Die Umweltverbände BUND und NABU sowie der Allgemeine Deutsche Fahrradclub ADFC gehen zur Halbzeit des SPD-Senats heftig ins Gericht mit Hamburgs Erstem Bürgermeister Olaf Scholz.
„Die SPD-Alleinregierung hat den Natur- und Umweltschutz in Hamburg sowie die umweltgerechte Mobilität sträflich vernachlässigt und in Teilen sogar aktiv geschwächt“, bemängelten die Verbände im Rahmen einer Pressekonferenz anlässlich der Halbzeit der SPD-Regierung. „Olaf Scholz profiliert sich als „Basta-Meister“, der nur sich selbst eine „ordentliche Politik“ zutraut und andere Interessen selbst in der eigenen Partei nicht zulässt“, zeigen sich die Verbände enttäuscht. „Ob Elbvertiefung oder Netzinitiative, ob Hafenkooperation oder Windmesse: Der SPD-Senat scheint immer mit dem Kopf durch die Wand zu wollen.“
Alexander Porschke, Vorsitzender des NABU Hamburg, erinnert daran, dass 2001 der damalige SPD-Wirtschaftssenator Thomas Mirow noch eine andere Politik verfolgte, etwa bei der ursprünglichen Planung des Jade-Weser-Ports. Damals formulierte dieser: „Wir haben jeden Grund zum Selbstvertrauen, was den Hamburger Hafen angeht, und um so mehr, je mehr wir uns als fähig und klug genug zu norddeutscher Zusammenarbeit erweisen.“ Schwarz-Schill hatte diese Zusammenarbeit abgebrochen. „Der SPD-Senat folgt heute der Linie von Schwarz-Schill“, so Porschke.
Weiterhin kritisiert der NABU die Hafenpolitik der SPD: Es gebe immer noch keinen Landstromanschluss für Kreuzfahrtschiffe und der Hafen verschwende weiterhin wertvolle Innenstadtflächen, weil die Unternehmen nur absurd niedrige Mieten zahlen müssten. Dabei gebe es im Kleinen durchaus Bereitschaft, Beiträge für eine „Begrünung“ der Hafenaktivitäten zu leisten. „Eine Umweltstrategie wie in anderen europäischen Häfen fehlt aber noch immer“, bedauert der NABU-Chef. Beim Naturschutz versuche die SPD sich mit einer teuren Imagekampagne als Baumpflanzpartei zu präsentieren, bemängelte der NABU. Gleichzeitig schwäche die SPD den Bereich durch weitere Verlagerungen von Zuständigkeiten auf die unterfinanzierten Bezirke. „Zum Glück arbeiten in der Verwaltung noch einige engagierte Naturschützer. Deren Ergebnisse zeigen jedoch, dass 92 % der Lebensraumtypen und 72 % der Arten ökologisch nicht intakt sind.“, sagt Porschke. „Um das umzukehren, muss Hamburg zukünftig fünf Euro pro Einwohner und Jahr investieren!“
Auch Hamburgs Radfahrerinnen und Radfahrer sind unzufrieden mit der Regierung Scholz. „Im bundesweiten Fahrradklimatest des ADFC schneidet Hamburg denkbar schlecht ab“, kritisiert Merja Spott, Referentin für Verkehr des ADFC Hamburg.
Anstatt die „Radverkehrsstrategie für Hamburg“ wie versprochen
weiterzuentwickeln und innovative Verkehrskonzepte zu fördern,
praktiziere die SPD das Gegenteil, kürze die Gelder für den Radverkehr und spare Personal in diesem Bereich ein. Radfahrer und Fußgänger würden in der Autostadt Hamburg immer noch als Verkehrsteilnehmer zweiter Klasse behandelt. „Hier mal ein Radfahrstreifen, dort mal eine Fahrradstraße sind nicht mehr als Brosamen im Vergleich zu den Investitionen in den motorisierten Verkehr“, so Spott. Neue Lösungen für den Radverkehr wie etwa am Baumwall wirkten wie Zufallsprodukte im Zuge anderer Baumaßnahmen. Um Hamburg zur Fahrradstadt zu machen, seien Maßnahmen wie „Tempo 30“, eine Kampagne „pro Rad“ und autofreie Zonen gefordert.
„Der Alltag von Hamburgs Radfahrerinnen und Radfahrern ist geprägt von Stress und einem aggressiven Verkehrsklima“, so die Erfahrung von Spott. Trotz dieser fahrradfeindlichen Bedingungen nutzten jedoch immer mehr Menschen täglich ihr Rad. „Hamburgs Bürgerinnen und Bürger machen gerade ihre Verkehrswende selbst. Es ist höchste Zeit, dass die Politik endlich mitmacht“, fordert Spott.
Auch Manfred Braasch, Landesgeschäftsführer des BUND Hamburg sieht beim Thema Umwelt- und Naturschutz keinerlei politischen Gestaltungswillen. So habe der Senat den Etat der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt im Vergleich zu anderen Fachbehörden mit Abstand am deutlichsten gekürzt, gegenüber dem Jahr 2012 um 17,6 Prozent bis 2014. Da der Wohnungsbau unter dem Dach derselben Behörde zudem hohe Priorität genieße, sei der Umweltbereich besonders von den Einsparungen betroffen.
Braasch bemängelt, dass die Energiepolitik des Senats weitgehend von leeren Versprechungen geprägt ist. Die SPD-Fraktion selbst hatte in einem Antrag (20/3883) im April 2012 viele Forderungen aufgestellt, von denen die wenigsten bislang umgesetzt wurden. Besonders dringlich sei angesichts der Debatte um die Fernwärmeversorgung und die energetische Sanierung des Gebäudebestands ein umfassendes und zukunftsweisendes Wärmekonzept für die Hansestadt.
Ein Trauerspiel sei auch die Luftreinhaltepolitik des Senats, insbesondere bei den Stickoxidwerten, bei denen Hamburg nach Stuttgart und München bundesweit einen unrühmlichen Spitzenplatz einnehme. Zwar habe die Stadt Ende letzten Jahres einen neuen Luftreinhalteplan verabschiedet. Dieser sei jedoch ein Flickwerk von Maßnahmen, deren Wirksamkeit von der Behörde selbst fast durchgehend für nicht abschätzbar gehalten wird. „Die seit 2010 verbindlichen Grenzwerte für Stickstoffdioxid will die Stadt erst ab dem Jahr 2020 einhalten. „Das ist weder rechtlich zulässig noch gegenüber der Hamburger Bevölkerung verantwortbar“, stellt Manfred Braasch fest.
ADFC, BUND und NABU kommen in ihrer gemeinsamen Halbzeitbilanz der Regierungsarbeit der Hamburger SPD zu einem eindeutigen Fazit: Im Umwelt- und Naturschutz und auch bei der Verkehrspolitik wird Hamburg nicht „ordentlich regiert“.
Pressemitteilung NABU, BUND, ADFC HH